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A GHOST´S NOTE SYMPHOBIE

*foundationClass - THE BOOK
 

2020, das Jahr des Lockdowns. Zum Glück wird ein Buch konzipiert und geschrieben: *foundationClass, ein Zuhause für viele Menschen aus diversen Hintergründen. Gespräche über Kunst, existenzielle Angst und Zusammenhalt.

Eine Einladung zum Mitschreiben ermöglichte mir den Zugang zu einem mentalen Raum, der fast frei von Materie war - wie ein Geist.

 

A Ghost's Note Symphonie, der Titel verrät die „Ghost Note“ und wie daraus eine Symphonie komponiert wurde, um reale Prozesse zu zeigen, die unserer Angst vor der sehr fragilen Grenze zwischen Existenz und Nichtexistenz gewidmet sind.

 

Team: *foundationClass, Konzept/Text/Vocals/Sound: Danae Nagel, Performerin: Mira Debaja, Poesie: Georgios Iliadis,  Soundproduktion: Konstantin von Sichart

Performance/Ululation © Mira Debaja

Ψακ / PSAK/ سگ

في الزجاج الأمامي الأبيض”

قطةٌ زرقاء لامعة

تكاد تُخبَزُ من البرد

ستغدو عيناها قاتلة”

„Στ’ άσπρο παρμπρίζ

μια καταγάλανη γάτα πρόκειται

να ψηθεί απ’ το κρύο

να γίνουν τα μάτια της φόνος"

„Auf der weißen Windschutzscheibe

wird eine satt-blaue Katze

aus der Kälte gebacken werden

Ihre Augen werden Mord“

"In the white windshield

a bright blue cat is about

to be baked from the cold

her eyes will become murder"
 

©Georgios Iliadis

geist Dschinn.jpeg

©Konstantin von Sichart

A GHOST’S NOTE SYMPHOBIE

Eine akustische Erzählung über empirische Erfahrungen in der *foundationClass Berlin.

Geschrieben und erzählt von Danae Nagel.

EIN SOUNDSTÜCK, UM ZUHÖREN ZU LERNEN, WENN DIE GABE DER TRANSZENDENZ KEINER AKADEMISCHEN PFLICHT DIENT

Es war einmal ein politisches Taqsim. Eine musikalische Improvisation. Eine zeitgenössische Symphonie. Ein arabisches Lied, das von einem Geist, dem sogenannten Dschinn, erzählerisch gesungen wurde. Das Sound Stück, das im nächsten Kapitel über Links aufgerufen und unter diesen gehört werden kann, basiert auf einer Performance des Ululierens. Die Ululation, deren unterschiedliche Aspekte in den weiteren Kapiteln dargestellt wird, ist rein körperlich betrachtet ein Schrei parallel zu der schnellen Bewegung der Zunge.

 

Die Symphonie, um die es hier geht, besteht aus einem musikalischen Teil, der Ululation, und der Sprachaufnahme des vorliegenden Textes. Die Ululation wird in den folgenden Kapiteln etymologisch und performativ erklärt und aus einer geschichtlichen, ethnologischen, kulturellen und wissenschaftlichen Perspektive dargestellt: als geschichtliche, ethnologische, kulturelle, wissenschaftliche Tradition.

Du machst jetzt eine geo-politische Reise durch und mit der Ululation. Die Bedeutung und Macht der Ululation kann von jeder Person gleichwertig praktiziert werden und ist dabei unabhängig von Raum und Zeit. Eventuell wird sie trotzdem dir gegenüber erneut dargestellt, performt und erklärt. Unsere erzählerische Reise beginnt erst einmal in der *foundationClass.



 

Für mich in der imaginären Rolle des Dschinn und in der realen Rolle der Wissensvermittlerin hat die *foundationClass mehr von einem Clan als von einer Class. Es gibt eine klare Verbundenheit und ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zwischen und unter den Mitwirkenden. Es ist eine sozialpolitische Plattform, die allen möglichen Stimmen Raum gibt. Eine Plattform eingebettet in einen akademischen Raum. Sie ist besonders, da sie in der Lage ist, Wünsche zu erfüllen. Sie verwandelt uns Reisende, die sich dort aufgehalten haben, in eine ewige Einheit. Wander*innen, die sich „kurz“ an einem selbstkreierten Ort trafen und Geschichten teilten, die von extremem Schmerz oder großer Freude erzählten. Es entstanden akustische Landschaften aus verschiedensten Aussagen. Diese Aussagen sind zu einem einzigen Statement geworden, wie ein einziger lauter Klang. Die Stimme der Vereinigung, die Verkörperung der Präsenz! Alles in diesen einen Ruf komprimiert, der seit Jahrtausenden genauso ausdrucksvoll und revolutionär zu spüren ist: Ululuululalalalalalalalalalalala!

 

  1. HÖR DEN RUF: ULULULULULULALALALALALA!

  1. Soundaufnahme: https://soundcloud.com/user-305388719/a-ghosts-note-symphobie

  2. Ululation und Performance ©Mira Debaja: https://vimeo.com/390796740

  3. Eine akustische Erzählung über empirische Erfahrungen in der *foundationClass Berlin. Geschrieben und erzählt von Danae Nagel.

 

GHOST NOTE

Wie bereits erwähnt erkläre ich hier aus der imaginären Perspektive des Dschinn, worin seine Rolle überhaupt besteht. Wir Geister, Dschinnis, rufen gerne zwischen den Dimensionen „“A Ghost’s Note Symphobie“. Wir erfüllen gerne Träume und Wünsche und achten auf Gerechtigkeit. Erschrecken wie Dämonen und beruhigen wie Engel. Wenn eine gewisse Phobie oder Angst gegen das „Fremde“ entwickelt wurde, dann kommt es auf den Dschinn an, diese zu beseitigen, indem er sich als Ghost Note rhythmisch versteckt und zwischen den Dimensionen schwingt. Dieses rhythmische Schwingen wirkt als Gegengift zur Fremdenphobie.

 

Erklärung und bildliche Darstellung der sarkastischen Titelgebung:

 

Die Ghost Note liegt in der musikalischen Notation zwischen Existenz und Nicht-Existenz. Man* zeichnet diese nicht immer in die Notenzeile ein. Dennoch hört man* und fühlt man* sie sehr stark. Sie wird wie ein kurzes Einatmen angehalten. Sie verleiht dem schon gespielten Rhythmus Groove und mehr Dynamik, falls die*der Interpret*in das intendiert. Radikaler ausgedrückt: Eine Ghost Note hat etwas spielerisches, sie hat Pfeffer. Sie hat ihre eigenen Regeln und ist autonom. Gleichzeitig wird sie vom System, als etwas dazwischensteckendes, eventuell gefährliches und unbekanntes, etwas “illegales” verpönt. Ghost Note: eine Note, die man* spürt, die aber dennoch nur durch ein X notiert wird. Ghost Notes werden auch „dead notes“, „muted notes“, „silenced notes“ oder „false notes“ genannt. X X X…

Ungeklärter Staatsangehörigkeit XXX, Staatenlosigkeit XXX, Vergiftungsgefahr, Totenkopfflagge. Der Tod.

 

 

In der Musik erschafft die Ghost Note, der rhythmische Sprung, für den Körper eine neue Dimension der Existenz.  Und fast magisch, der Körper gewinnt die Freiheit alles zu äußern was er will. alles  wird einem plötzlich die Freiheit gelassen, alles zu äußern, was man* möchte. Worüber man* nachdenkt, was man* sich wünscht, was man* gerne ohne Kompromisse zum Ausdruck bringen würde.

 
Symphobie. Symphonie + Phobie = Symphobie. Solche Plattformen wie *foundationClass, die verschiedene Gesellschaftsgruppen, Minderheiten und neue sozialpolitische Überlegungen auf unterschiedlichen, interdisziplinären Ebenen zusammenbringt, können in einer verschlossenen Gesellschaft, der “Sicherheit” am wichtigsten ist, Ängste und Phobien auslösen. Aus dieser ängstlichen Perspektive werden  solche Plattformen als etwas fremdes betrachtet, weil sie vermeintlich nicht „ordentlich“ genug sind und der Norm nicht zu entsprechen scheinen. Sie werden lediglich mit einem X oder einem Fragezeichen in das sozialpolitische System notiert.eingeschrieben und wie Geister behandelt.
Die Geschichte, die hier geschrieben, gezeichnet, ululiert und erzählt wird, handelt nicht von einem reinen Lachen oder Weinen; diese Geschichte dekontextualisiert die traditionelle Tracht des geflüchteten Wesens und die Frequenzen, die du vielleicht nicht hörst, aber fühlst. groove
So wirst du Teil dessen, auch wenn es dir nicht bewusst ist.

 

In der realen Rolle der Künstlerin, Wissensvermittlerin, Portfolio-Coachin, Studienbegleiterin und Mentorin an einer Kunsthochschule in Berlin habe ich mir Mühe gegeben, sehr präzise auf Wünsche zu hören. Habe den Dialog zwischen existierendem akademischen System und der Persönlichkeitsentwicklung einzelner Künstler*innen mitentwickelt. Dabei gelernt, Vertrauen und Geduld zu haben und mutig zu sein. 

 

EINE AKUSTISCHE LANDSCHAFT

 

Die Ululation ist ein Schrei, der parallel zu einer schnellen Bewegung der Zunge ausgestoßen wird. Mira Debaja, ein Mitglied der *foundationClass, hat uns dazu gebracht, die Ululation immer wieder zu hören. Vor oder nach einem Treffen, einer Besprechung, einer Präsentation oder einer Versammlung performte sie das Ululieren. Es wirkte wie eine Bestätigung, ein Statement, ein akustisches Manifest, der Beginn einer Feier, des Feierabends, ein Lob oder Wut. Es ist laut, es soll laut sein, aufbrechend, transzendierend, mitnehmend. Nahezu kriegerisch könnte man* sagen …

Es ging um das Zuhören. Darum, Menschen das Zuhören beizubringen. Den Radius der Pirat*innen zu erweitern. Die Stimme aus dem All, die Stimme des Geistes. So klingt *foundationClass, so hört sich ein Geist an, wenn er sich zeigt und ruft. Wir alle können Geister werden. Wir sollten es.

 

 

©Mira Debaja, Körpersprache: Ululieren, performance von Mira Debaja, 2020


 

KLEINE GESCHICHTLICHE REISE ZU DER GEO-POLITISCHEN ULULATION

Ululation (von lat. ululare = heulen) ist ein langer, hoher Klang mit schnell schwankender Tonhöhe, eine besondere Art des Heulens. Wer ululiert, bewegt Zunge und Gaumenzäpfchen schnell auf und ab und singt gleichzeitig einen hohen Ton. Bereits im antiken Griechenland war Ululation als Ausruf der Freude bekannt. Die oftmals im Chor praktizierte Ululation ist eine Domäne der Frauen. Die Vokaltechnik wird häufig als Ausdruck von Freude eingesetzt, vor allem bei Hochzeiten, und als Ausdruck von Trauer und religiöser Ekstase. In arabischen Ländern wird Ululation „Zaghruta“ genannt. Des Weiteren kommt Ululation in Indien vor und in der afrikanischen Musik. Gebräuchlich ist es auch bei Beerdigungen von Märtyrer*innen in der islamischen Welt. In der Medizin wird mit Ululation ein unartikuliertes, übermäßiges Schreien bei Hysterie und manchen Psychosen bezeichnet. Unter den Lakota rufen Frauen mit hoher Stimme „Lililili!“, um Krieger*innen für ihre Tapferkeit zu loben.

 

 

 

ETYMOLOGISCHER BAUM

 

ULALA-FREQUENZEN

 

Digitale Bilder der Frequenzen beim ululieren, während der Soundaufnahme:

“A Ghost`s Note Symphobie”. Bildarchiv: K. von Sichart. 

 

KÖRPERFELDER 

In Ägypten war es die „singende Sonne“, die die Welt durch ihren „Lichtschrei“ schuf. In einem alten ägyptischen Text heißt es, dass es „die Zunge des Schöpfers“ gewesen ist, durch die „allergütter und alles“, was ist, geboren wurde … Atum und alles, was göttlich ist, manifestieren sich selbst in Gedanken des Herzens und im Laut der Zunge…“, wobei es aufschlussreich ist, dass in der ägyptischen Hieroglyphenschrift das Zeichen für „Zunge“ auch „Wort“ bedeutet. Die Zunge ist es ja, die den Klang formt, der seinerseits wiederum das Wort trägt. Man* findet ihn also schon in der Hieroglyphenschrift: den fließenden Übergang zwischen dem mantischen Klang und dem gesprochenen Wort.

„Die Queen in Ekstase“, Marie Laveau, 1830, Voodoo in New Orleans

 

MUSIKALISCHER KLANG

„A Ghost’s Note Symphobie“. X wird von Ψ ersetzt. Ψ steht für Ψακ (PSAK) = سگ = Hund.

Danae Nagel: Konzept und Vocals, http://www.danaenagel.com/, George Iliadis: Poesie, Konstantin von Sichart: sound Production & sound design, https://www.konstantinvonsichart.com/.

Ψακ / PSAK/ سگ

في الزجاج الأمامي الأبيض”

قطةٌ زرقاء لامعة

تكاد تُخبَزُ من البرد

ستغدو عيناها قاتلة”

„Στ’ άσπρο παρμπρίζ

μια καταγάλανη γάτα πρόκειται

να ψηθεί απ’ το κρύο

να γίνουν τα μάτια της φόνος"

„Auf der weißen Windschutzscheibe

wird eine satt-blaue Katze

aus der Kälte gebacken werden

Ihre Augen werden Mord“

"In the white windshield

a bright blue cat is about

to be baked from the cold

her eyes will become murder"

 

“Das Skelett einer Gabun-Viber, wie ein Herzstück der Jukebox: 160 Singles zur Auswahl.” 

Vom Voodoo zum Walkman, Geschichte(n) der Rockmusik von Michael Ventura. S75

 

WUNSCH ERFÜLLT

 

 

Der Geist haftet immer an der Form. Das ist der Grund, warum Formen überleben. „Great Gods cannot ride little Horses.” Die Legenden und Mythen der Völker haben es schon immer gewusst: „Gott schuf die Welt aus dem Klang.“

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